Kaum ist sie da gwesen, war sie schon wieder da: Niederösterreichs Landeshauptfrau Johanna Mikl- Leitner (ÖVP) wurde erst vergangene Woche von den Abgeordneten im parlamentarischen U-Ausschuss zu mutmaßlicher Korruption der ÖVP befragt, am Mittwoch war sie erneut dran. Ihre Befragung in der Vorwoche verlief wegen – zumeist von der ÖVP ausgelöster – Geschäftsordnungsdebatten erratisch, am letzten Befragungstag in diesem Jahr sollen offene Themen abgehandelt werden. Doch auch diesmal war es nicht anders: Debatten über die Zulässigkeit von Fragen bestimmten das Geschehen.

"Schönen Vormittag, ein herzliches Grüß Gott", begrüßte Mikl-Leitner die Anwesenden demonstrativ, nachdem die ÖVP in der Vorwoche eine Diskussion um Grußformeln vom Zaun gebrochen hatte. Die Volkspartei lancierte, dass SPÖ-Fraktionschef Jan Krainer das "Grüß Gott" verbieten wolle; Krainer wies diese Behauptung als "falsch" zurück.

Gleich in ihrem kurzen Eingangsstatement übte Niederösterreichs Landeshauptfrau scharfe Kritik am U-Ausschuss. Bei manchen würden aufgrund des anstehenden Landtagswahlkampfs in Niederösterreich "letzte Dämme brechen in Bezug auf den verantwortungsvollen Umgang mit diesem Kontrollinstrument". Bei ihrer Befragung gehe es "um puren, plumpen Wahlkampf".

Aufträge an Media Contacta

Zu Beginn wurde Mikl-Leitner von Krainer erneut zur Agentur Media Contacta, die einst der ÖVP gehört hatte befragt. "Ja, selbstverständlich" wusste Mikl-Leitner, dass die Media Contacta im Wahlkampf zur niederösterreichischen Landtagswahl im Jahr 2018 für die ÖVP tätig war, sagte sie schließlich. "Keine Wahrnehmung" habe sie hingegen dazu, dass sich die Auftragssumme von ÖVP-geführten Ministerien an die Agentur laut einer Aufstellung des Rechnungshofes von 2017 auf 2018 auf 361.000 Euro versechsfacht habe. Krainer stellte in den Raum, dass die Agentur jene Mittel, die sie von ÖVP-geführten Ministerien bekommen hat, für den Wahlkampf der niederösterreichischen ÖVP verwendete.

Wie bereits in der Vorwoche wurde Mikl-Leitner auch zu Interventionen befragt. Hierzu fehlte Mikl-Leitner die Erinnerung. Ganz abstreiten konnte sie diese nicht, liegen diesbezüglich doch viele Chats aus dem Smartphone ihres ehemaligen Kabinettschefs Michael Kloibmüller vor. FPÖ-Fraktionschef Christian Hafenecker wollte schließlich auch die Ermittlungen der Staatsanwalt in Sachen NÖ-Inserate gegen unbekannte Täter, über die zackzack.at berichtet, thematisieren – eine Stehung zum Thema führte allerdings zum Ergebnis, dass Fragen dazu unzulässig seien. Auch Fragen zum blau-gelben Strompreisrabatt musste Mikl-Leitner nicht beantworten. Beide Themen würden nicht in den Untersuchungszeitraum fallen.

Gleich von Beginn weg grätschten ÖVP-Fraktionschef Andreas Hanger und Generalsekretär Christian Stocker, der am Mittwoch wieder einmal als Ersatzmitglied ein verhindertes reguläres Mitglied der ÖVP-Fraktion vertrat, in die Befragung. Die beiden orteten oftmals unzulässige Fragen, die meist erfolglos beeinsprucht wurden, und Unterstellungen. Verfahrensrichterin Christa Edwards entgegnete der ÖVP schließlich: "Sie verwenden das Wort Unterstellung als Totschlagargument." Die erste Geschäftsordnungsdebatte folgte bereits wenige Minuten nach Beginn der Befragung, und laut Zählweise Krainers wurden es letztlich rund 40 Debatten Nach knapp fünf Stunden durfte Mikl-Leitner gehen, der Erkenntnisgewinn hielt sich einmal mehr in Grenzen.

Pause und Verlängerung

Damit sind die Befragungen für dieses Jahr abgeschlossen, der U-Ausschuss macht Weihnachtspause. Danach geht dieser bis Ende Jänner weiter – auf diese Verlängerung haben sich die Oppositionsparteien SPÖ, FPÖ und Neos, die den U-Ausschuss eingesetzt haben, geeinigt. Wie viele Auskunftspersonen – abgesehen von Ex-ÖBAG-Chef Thomas Schmid – bis dahin geladen werden, darüber scheiden sich derzeit noch die Geister.

Die Neos, die ja lange gegen die Verlängerung waren, wollen Schmid befragen, sind aber laut Stephanie Krisper "in sehr limitiertem Rahmen gesprächsbereit". Die FPÖ hofft laut Christian Hafenecker auf "so viele Auskunftstage wie möglich", und die SPÖ ist laut Krainer sicher, mit den fünf Fraktionen einen Konsens für einen ergänzenden Arbeitsplan zu finden.

Schmid-Befragung im neuen Jahr

Ob Schmid, dessen Anwalt Roland Kier ja nun seinen Antrag auf Zuerkennung des Kronzeugenstatus bei der Wirtschafts- und Korruptionsstaatanwaltschaft (WKStA) eingebracht hat, viel mehr sagen wird als bei seiner ersten Befragung, bleibt dahingestellt. Etliche mit der Causa vertraute Juristen gehen davon aus, dass er das nicht tun wird. Vor dem U-Ausschuss herrscht Wahrheitspflicht, gegen Schmid wird ermittelt. Für ihn gilt die Unschuldsvermutung.

Rückhalt könnte Schmid durch das Geständnis der Grazer Beratungsfirma ICG erfahren. Wie der STANDARD am Mittwoch berichtete, geht es dabei um vom Finanzministerium bezahlte Beratungsleistungen, die der ÖVP zur Vorbereitung auf die Regierungsverhandlungen gedient haben sollen. Krainer und Hafenecker forderten von Finanzminister Magnus Brunner (ÖVP) die Abberufung von Eduard Müller, nunmehriger Chef der Finanzmarktaufsicht (FMA). Dieser werde in dem Verfahren um die ICG als Beschuldigter geführt und hatte seinen Auftritt im U-Ausschuss am Mittwoch kurzfristig abgesagt.

DER STANDARD, gra, berichtet live ab 9 Uhr. (gra, schi, 7.12.2022)

Mikl-Leitner übte scharfe Kritik an U-Ausschuss: "Die letzten Dämme brechen"